Donnerstag, 5. Juni 2014

Indirekt-Passiv

In den meisten Sprachen kann man die passive Form eines Satzes benutzen, um den Ausführenden unerwähnt zu lassen. Dabei wird das direkte Objekt des aktiven Satzes zum Subjekt des passiven:

Aktiv: "Das Jugendamt nimmt dir den Sohn weg"
Passiv: "Der Sohn wird dir (durch das Jugendamt) weggenommen"

Dabei verwandelt sich der Akkusativ des direkten Objekts - "den Sohn" -
in einen Nominativ - "der Sohn" - durch Benutzung des Hilfsverbs "werden"

Ein indirektes Objekt kann man auf diese Weise nicht zum Subjekt machen.
Die deutsche Umgangssprache kennt jedoch eine Art Indirekt-Passiv.
Sie bedient sich dazu der Verben "bekommen" oder "kriegen" als Hilfsverben.
In dieser Konstruktion wird das indirekte Objekt im Dativ - "dir" -
zu einem Subjekt im Nominativ - "du":

Aktiv: "das Jugendamt nimmt dir den Sohn weg"
Indirekt-Passiv: "Du kriegst (durch das Jugendamt) den Sohn weggenommen"

In Google kann man die Häufigkeit dieser Konstruktion erkennen, aber sie wird häufiger gesprochen als geschrieben:
Indirekt-Passiv: "weggenommen bekommen" (12 200 Google-Hits)
Passiv: "wurde weggenommen" (3 840 Google-Hits)

Dieser Zusammenhang wird auch in folgenden Artikeln erläutert, häufig mit dem Begriff "Bekommen-Passiv":
http://hypermedia.ids-mannheim.de/call/public/fragen.ansicht?v_id=93
Forschungsberichte des Instituts für deutsche Sprache
http://www.deutschegrammatik20.de/passiv/passiversatz-bekommen-gehoeren/
Leirbukt, Oddleif: "Untersuchungen zum Bekommen-Passiv im heutigen Deutsch"

Ich kenne etliche vergleichbare Konstruktionen in anderen Sprachen.

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